Ein Reisebericht aus der Feder von Matze, Kai und Anja
Mit ein paar Vorurteilen im Gepäck aber großer Vorfreude
machten wir uns über den Jahreswechsel 2012/2013 auf in die türkische Metropole
Istanbul. Schon der Weg vom Flughafen zu unserem Hostel, gelegen in der Nähe
der Partymeile und dem kulturellen Zentrum der Stadt, machte uns deutlich, dass
diese Stadt ganz anders ist, als wir es bisher von anderen deutschen und
europäischen Metropolen gekannt haben. Beim Umstieg von der Metro in die Tram,
bei dem wir eine kleine Unterführung passierten, wurde uns erstmals klar, dass
der Handel hier nicht in Kaufhäusern, sondern wohl größtenteils auf der Straße
stattfindet. Eine kleine, unbedeutende Unterführung war vollgequetscht mit
Verkaufsständen, und diese waren wiederrum vollgequetscht mit Waren soweit das
Auge reichte. Ein erster Eindruck, der sich aber in den nächsten Tagen
bestätigen sollte. Ein paar Beispiele: An quasi jeder Ecke waren Stände zu
finden, an denen man frisch gepressten Saft für umgerechnet 50-80 Cent kaufen konnte. Egal wo man hinkam wurde man sofort angesprochen, ob
man denn nicht einkehren möchte, vor allem vor Gastronomielokalen.
Bei der Masse an Geschäften frage ich (Kai) mich: Wie können
die denn alle überleben? Die nehmen sich doch gegenseitig die Kunden ab?
Vielleicht wird deshalb so aggressiv Straßen-Marketing gemacht.
Die Geburtsstätten
dieses „Handelsprinzips“ sind natürlich die großen Basare, der Gewürzbasar und der
Grand-Basar. Das muss man einfach erlebt haben. Hier wird grundsätzlich um jeden
Preis verhandelt. Im schlimmsten Fall trifft hier aber auch auf europäischen Geiz oder lokale Touristenabzocke. Die Kunst liegt darin einen für beide Seiten fairen Preis zu finden.
Die Verkaufsmentalität kann einem aber auch nach einer Weile ganz schön auf die
Nerven gehen. Man möchte einfach einmal in Ruhe eine Speisekarte anschauen, um
dann in Ruhe etwas auszuwählen, doch sobald man nur geringstes Interesse am
Verkaufsprodukt zeigt, ist der Verkäufer zur Stelle und versucht mit allen
Möglichkeiten seiner Kunst, dich um den Finger zu wickeln.
Kleine Ergänzung zum Essen: Wie ich es erwartet hatte, gibt
es in Istanbul wirklich unzählige Dönerbuden zu finden. Die Döner waren im
Normalfall auch mit umgerechnet ca. 1,50€ sehr günstig. Jedoch: Soße ist den
Türken wohl ein Fremdwort. Mit dem deutschen Verständnis von Mahlzeiten, bei
denen das Essen regelrecht in Soße ertrinken muss, stößt man hier leider auf
Unverständnis. Man muss froh sein, wenn man irgendwo Ketchup findet, um seinem
Essen die nötige Flüssigkeit zu verabreichen.
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Kumpir! |
Aber die türkische Küche weist nicht nur Döner auf, sondern
man auch Spezialitäten wie „Kumpir“. Eine unterarmdicke Kartoffel, die
aufgeschnitten mit Butter und Käse innen weich geschlagen wird und dann mit
einer Auswahl an Salaten (von Bulgur- bis zu Fleischsalat alles)
vollgestopft wird. Einfach nur köstlich! Aber so etwas sucht man in türkischen
Lokalen in Deutschland vergebens. Leider.
Rückblickend ist die Stadt mit den Adjektiven: riesig, laut,
bunt, crazy und durchgeknallt ziemlich gut beschrieben. Wenn man durch die
Straßen läuft, trifft man auf eine unglaubliche Anzahl von Menschen. Kein
Vergleich zu Berlin und auch New York kann hier nicht mehr mithalten. Die Größe
der Stadt mit offiziell gemeldeten 13,1 Millionen Einwohnern, ist natürlich
schon heftig für ein Landei wie mich (Matze): Auf jedem deiner Wege durch die
Stadt schieben sich unglaubliche Menschenmassen an dir vorbei, was, wenn man es
nicht gewohnt ist, schon ein bisschen einschüchternd wirken kann. Und
tatsächlich braucht man auf dem Weg vom Flughafen ins Zentrum der Stadt
mindestens 1,5 Stunden, so lange wie von Baden-Baden Zentrum nach Stuttgart
Zentrum. Auch der Verkehr erliegt zumindest in den Stoßzeiten regelmäßig,
obwohl sich viele bei den teuren Spritpreisen gar kein Auto leisten können. Der
Liter Benzin liegt bei ca. 2€.
Unser Programm in den 5 Tagen war natürlich geprägt von Dingen,
die man „gesehen haben muss“ wie der Blauen Moschee (vor allem für Kai als
Bauingenieur interessant), der unterirdischen Zisterne, einem Besuch im Hamam
oder dem Besuch Europas höchster Aussichtsplattform im Nordosten der Stadt, von
wo aus man einen phänomenalen Blick über die Stadt und nachts über ein
grandioses Lichtermeer hat. Für mich persönlich mit Sicherheit eines der
Highlights unseres Besuchs.
Natürlich sind wir auch mehrmals in das Nachtleben der Stadt
eingetaucht. Man geht vor halb 2 Uhr morgens eigentlich nicht weg, Sperrstunde
gibt es nicht, viele Clubs schließen erst morgens um 9 Uhr oder gar noch
später. Man fühlt sich auf der Partymeile „Istiklal“ ein wenig wie auf St.
Pauli – nur 10x so groß. Istiklal ist eine 3 km lange Straße, in der sich Leute
aus ganz Europa, wahrscheinlich der ganzen Welt tummeln (allein in unseren 8ter
Zimmer trafen wir: 1 Australier, 2 Slowaken und 2 Inder, beim Frühstück eine
US-Amerikanerin). Menschen, die Istanbul zu dem machen, was es ist: Eine Stadt, die
NIEMALS schläft.
Den Dauerbetrieb macht sich vor allem in der Qualität des
Straßenbelags bemerkbar: An vielen Stellen ist es holprig oder gar aufgerissen,
sodass der Asphalt für mich (Matze) des Öfteren zur fiesen Stolperfalle wurde.
Apropos niemals schläft: Auch an die Gebetsrufe mussten wir
uns gewöhnen. Aus gigantischen Lautsprechern schallt es bereits morgens um 5:30
Uhr, wenn man gerade Heim gekommen ist, von den Türmen der Moscheen. Ein Klang,
an den man sich sicherlich erst gewöhnen muss.
Den Silvesterabend verbrachten wir auf einem Boot auf dem
Bosporus. Wir freuten uns bei diesem grandiosen Blick auf das große Feuerwerk.
Alles war angerichtet nur das Feuerwerk scheinbar nicht… Es blieb größtenteils
aus, nur einige Privatleute schossen wohl ein paar Raketen in den Himmel. Naja,
trotzdem ein toller Abend.
Alles in allem ein sehr gelungener Trip, auch dank der
tadellosen Planung unsres Reiseführers ;-) Wir hatten so die Möglichkeit auch,
abweichend von Touristenprogramm, einige andere schöne Flecken der Stadt zu
entdecken, waren in einer kleinen Eckkneipe türkisch frühstücken, tranken
türkische Milchgetränke (Salep), besuchten eine traditionelle Shishabar auf der
asiatischen Seite Istanbuls und lernten dort wie man richtig Backgammon spielt
(traditionell hier).
Danke nochmal für alles!
Und um auf die Vorurteile von anfangs zurückzukommen: Es
gibt Türken, die in Deutschland leben und Türken, die in der Türkei leben ;-).
Die Türken, die wir hier kennenlernen durften, haben uns wirklich schwer
beeindruckt. Außerdem ist die Türkei zwar sicher vom Islam geprägt, jedoch
deutlich weltoffener und westlicher wie ich gedacht hätte. Natürlich gibt es
sicher viele sehr traditionell lebende Leute und Familien, jedoch ist die
Realität anders als ich es mir vorgestellt hatte, zumindest stellt sie sich mir
nach meinen über die 5 Tage gesammelten Eindrücken so dar.
Ich (Kai) möchte auf jeden Fall wieder diese Stadt besuchen!
Und zwar nicht nur, weil es dort im McDonalds einen Mega Mac gibt, sondern weil
mir das „Gesamtpaket Istanbul“ einfach nur richtig gut gefallen hat. Eine
wirklich einmalige Stadt mit einmaligen Leuten.