Die Mensaria hier ist ein Mysterium für sich. 1 Lira kostet
hier eine Mahlzeit. Das sind umgerechnet 40 Cent. Dementsprechend kann man sich
auch die Qualität ausrechnen. Aber hey: Wir sind Studenten, wir sind es gewohnt
zweckrational und effizient zu leben. Qualität können wir uns erst leisten,
wenn wir mal richtig Geld verdienen. Bloß dann haben wir vermutlich keine Zeit
mehr dafür, weil wir viel zu beschäftigt sind noch mehr Geld zu akkumulieren. Die
Zirkularität des Kapitalismus.
Mitten in diesem Zirkus des zweckrationalisierten Essens
gibt es eine unscheinbare Person, die für seine Ordnung zuständig ist. Er ist
der erste der kommt und der letzte der geht. Versucht man nämlich sein Tablett
nach dem Essen abzugeben, so muss man an ihm vorbei. Mit seiner schiefsitzenden
roten, ausgeblichenen Mütze sitzt er auf seinem Posten vor seinen zwei Mülleimern.
„He! Müll! Müll!“, ruft er mir hinterher, als ich bei meinem ersten Besuch
seine Autorität noch nicht kannte. Langsam schlurpe ich zurück und werfe meine
Serviette in den linken Mülleimer. „Nein! Das muss da rein!“, kommentiert er
meinen Fehlverhalten, welches er sichtlich nicht nachvollziehen kann. Zweiter
Versuch: Ich habe noch ein paar Ränder einer Wassermelone und ein halbes Stück
Brot auf dem Teller. Wenn die Serviette (Restmüll) für den einen Mülleimer
gedacht ist, dann ist der Rest bestimmt für Biomüll, oder? Zögerlich ergreife
ich die Wassermelonenreste unter seinen prüfenden Blicken, doch bekomm
ebenfalls wieder eine Rüge. Sein Unverständnis für mein Unverständnis hat
mittlerweile ein Level erreicht, dass er sich einfach mein Tablett schnappt und
die Dinge selbst ordnungsgemäß entsorgt. Etwas überfordert bekomme ich das
entmüllte Tablett wieder und verstehe schließlich, dass ich nichts verstanden
habe. Anscheinend wird hier nach Brotresten und alles-andere getrennt wird. Aha.
Ehrlich gesagt will ich gar nicht wissen warum. Ich glaube ich lebe mit dem
Unwissen besser.
Während ich immer noch leicht verwirrt vor dem grummligen
Mann stehe, hat sich hinter mir eine lange Schlange gebildet. Jeder will sein
Tablett abgeben und jeder muss an ihm vorbei. Ihm, den Müllmann, den Wächter
der heiligen Mensa-Ordnung. Der gefühlte Erbauer dieser Mensa. In der
Fluktuation von hunderten Gästen ist er der einzige, der immer da ist. Schon
immer da war. Und auch nach uns noch da sein wird. Er ist das Kontinuum. Er ist
der Fixstern, die Gravitation, das unsichtbare schwarze Loch um das sich alles
dreht und von dessen Existenz kaum einer weiß, doch jeder fühlen kann, dass es
da ist.
Lange nach Mensa-Schluss schreitet er davon. Auf seinen
Schultern ein Beutel voller ordnungsgemäß getrennten Abfällen. Der Erfolg
seiner Arbeit, verpackt in einem schwarzen Sack, unbeachtet und vor den Augen
der Menschen verborgen. Genau wie sein Träger.
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