Der letzte Part meiner Bajram-Reise.
Nach 2 Tagen zieht es mich wieder fort. Den Mund noch voll
mit frisch gebackenen Börek und eigenem Honig voll, stammle ich beim Frühstück
mit Mehmets Familie leicht verlegen: „Ich habe überlegt, mh... Ich habe
überlegt heute einen Freund in Antalya zu besuchen. Ich kenne ihn aus dem
Sprachkurs und wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen.“ – „Ah, ok. Ja,
Antalya ist ein Stück weit weg. Also ohne Melih heute?“, fragt Mehmet mit einem
Blick, aus dem man lesen kann, dass er nicht weiß, was er denn heute mit seinem
Sohn anstellen soll. „Mmh, ja. Ich möchte eben einen Freund besuchen“, beginne
ich fast zu flüstern. Zwei Stunden steige ich aus dem Dolmus aus und werde von
meinem uruguayischen Freund Ernesto mit all seiner südländischen Herzlichkeit
empfangen. „Lass uns was essen gehen, mein Freund. Du musst bestimmt hungrig
sein!“
Ernesto ist ein wirklich interessanter Mensch. Erst vor 5
Jahren hat er sein Talent für das Zeichnen entdeckt und hat es mit einiger,
harter Arbeit perfektioniert. Seit 3 Jahren hat er sein Hobby in einem
Tattoo-Shop in Spanien zum Beruf gemacht. „Aber mir ist wichtig, dass die Leute
ihre Ideen mitbringen. Tattoo ist Kunst. Es ist etwas Einzigartiges, was
erstens sehr gut überlegt werden will und zweitens eine Zusammenarbeit von
Kunde und Künstler erfordert. Ich habe zum Beispiel keine Tattoo Vorlagen bei
mir im Geschäft herumliegen, ich habe außerdem noch nie ein Tattoo zweimal
gemacht. So was mache ich auch nicht.“ Wenn er von seiner Arbeit spricht, dann
funkeln seine Augen. Es steckt viel mehr dahinter als eine einfache Zeichnung
auf der Haut. Ein echter Künstler eben. „Komm, wir schauen uns ein paar Läden
hier an. Ich bin auf der Suche nach einem Job und möchte einige Kontakte hier
knüpfen.“
In einem der Läden, die wir besuchen, bleiben wir etwas länger. Es
sieht sehr sauber und gepflegt aus. Auch der Besitzer macht einen sehr seriösen
Eindruck. Wir schauen ihm ein wenig über die Schulter. „Was sticht er da
gerade? Hast du ne Ahnung“ – „Wenn ich das richtig sehe, dann ist das die
Unterschrift von Atatürk“ – „Was? Eine Unterschrift von Atatürk als Tattoo?
Hä?“, ich versuche mich zusammenzureißen um diesen 17-jährigen Jungen, der sich
das gerade dick auf den Unterarm stechen lässt nicht zu beleidigen. „So was
macht man also?“ – „Ja, ja, vor allem heute. Heute ist doch der Geburtstag der
Republikgründung!“. Achso, na klar. Natürlich lasse ich mir für so was noch
kurz vorher ein Tattoo stechen…. Man will ja gut aussehen bei so einem
Feiertag, nicht wahr?
Happy Birthday Türkiye! Etwas gespenstischer Nationalismus |