Donnerstag, 25. Oktober 2012

Alle Wege führen nach Pamukkale



Irgendwie scheint die Türkei doch zu klein für 40 Leute aus dem Ankara Sprachkurs zu sein. Während ich meine französischen Freunde in Ephesus getroffen habe und meine griechischen Freunde in einem kleinen Bus-Büro in Izmir, so treffe ich jetzt die Franzosen wieder an einer Bushaltestelle kurz vor Pamukkale. „Nun gut. Das Schicksal hat es so gewollt: Ich werde heute mit euch den Tag verbringen!“.  Während meine neugierige Art und Weise bei den 7 deutschen Freunden gestern noch auf Verwirrung stieß („Hast du eine Ahnung was das das ist? Das habe ich jetzt schon mehrmals gesehen und ich weiß nicht warum es da ist.“ – „Benjamin, du bist der neugierigste Mensch, den ich kenne. Keine Ahnung, was das ist. Und ich habe auch noch nie daran gedacht!“), werde ich von meinen französischen Freunden anders empfangen: „Es ist toll mit dir zu reisen, weil du aus jeder Kleinigkeit eine tolle Geschichte machen kannst.“ – „Wie meinst du das?“ – „Na, zum Beispiel bei diesen Hamam-Ruinen. Ich dachte am Anfang nur so: ‚Aha. Ein weiterer Haufen Steine.‘ Bis du dann erzählt hast wie riesig die Heizungsanlagen hierfür gewesen sein müssen und wie das dann alles hier aussah. Und außerdem weißt du immer, wo wir gerade sind und wo wir hin müssen.“ Leicht errötet verweise ich auf Wikitravel und andere Internetquellen, die dafür verantwortlich sind, dass ich Infos über die Sehenswürdigkeiten habe.
In Pamukkale angekommen erwartet uns ein Naturspektakel sondergleichen. Mitten aus dem Nichts erscheinen weiße Berge. Was auf den ersten Blick wie eine dicke Schneedecke aussieht, ist tatsächlich einfach nur eine Kalksteinablagerung aus den heißen Quellen des Berges. In terpentinenartigen Formationen sammelt sich das Wasser in kleineren Becken. Ein Schlaufuchs, wer vermutet, dass hier die alten Römer ihre Finger im Spiel hatten. Fast überall wo heiße Quellen sind, waren früher einmal Römersiedlungen. Und die bizarren Kalkformationen machten diesen Standort für die Römer nicht gerade weniger attraktiv.
Den tollen Tag lassen wir anschließend in einem türkischen Teehaus ausklingen. Während man in türkischen Diskotheken ohne weibliche Begleitung keinen Eintritt erhält, ist es in Teehäusern so, dass sie für Frauen verboten sind. Teetrinken und Karten- und Brettspiele spielen – das ist (anscheinend) Männersache. Aber Pamukkale ist so touristisch, dass wir dieses Verbot bewusst einfach mal ignorieren und uns gemeinsam in ein Teehaus setzen. Die Reaktionen sind gemischt, doch es sagt keiner etwas. Als wir dann nach Kartenspielen fragen, kommt es sogar zu einer überraschenden Wendung. Der Besitzer des Teehauses setzt sich ohne zu fragen zu uns und verteilt die Karten. Jetzt wird gespielt! Die Regeln werden gelernt, während wir ein ums andere Mal verlieren. „Irgendwie glaube ich, dass er die Regeln gerade so verändert wie er will“, meint Mattheu zu mir. „Es ist ein türkisches Spiel. Natürlich gibt es hier keine festen Regeln!“.
Die Karten fliegen gerade so auf den Tisch. Und bei jedem Ablegen muss man auf den Tisch hauen. Ja, Emotionen gehören dazu. Das lernen wir schnell. Wenn man gewinnt, wird gejubelt, wenn man verliert, wird geflucht! (…oder die Regel verändert) Und ganz nebenbei wird versucht mit unseren französischen Mädchen Heiratspläne zu machen. „Wir können ja heiraten! Was sagst du?“, fragt der Teehausbesitzer in einem Ton, bei dem wir nicht wissen wie ernst das jetzt gemeint war. „Ähm. Nein Danke“ – „Nein, nein. Ich will nur nach Europa kommen, dann können wir uns wieder scheiden lassen. Was sagst du also? Kein Problem, oder?“ – „Nein. Ich verstehe nicht.“ Wir versuchen diese Diskussion gekonnt zu unterbinden, indem wir unsere ‚Ich verstehe nicht‘-Rolle spielen. Das klappt oft ziemlich gut. Und auch hier sollte es klappen, denn er beginnt sofort mit einem anderen Thema: „Heute ist Bajram. Wisst ihr oder? Das Opferfest!“, voller Stolz hebt er seinen Zeigefinger als wolle er jetzt große Worte folgen lassen: „Ich habe heute 32 Schafe geköpft! Zack!“, ahmt er lautmalerisch die Bewegung eines Henkers nach. „Oha. 32 Schafe!“ antwortet einer von uns, doch wir wissen alle nicht wirklich, ob wir davon begeistert oder angewidert sein sollen. Nun denn, zum Glück haben wir das Kartenspiel, das dieses bedrückende Schweigen überbrücken kann. Und das klappt zum Glück hervorragend.

Innerhalb von 15 min wird unser Tisch zur Attraktion! Immer mehr Türken kommen hinzu um zu sehen wie die Europäer sich im Kartenspiel schlagen. Manch einer hilft uns, manch einer verrät den anderen unsere Karten. So ist das nunmal. Mal verlierst du, mal gewinnen die anderen. Auch Mattheu zieht dieses Fazit, nachdem er ein weiteres Mal verloren hat, ohne zu verstehen warum: „Wie im wahren Leben…“

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