Ihr werdet es bestimmt schon mitbekommen haben: Der
türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan beruft sich auf Art. 4 des
NATO-Gründungsvertrags, der besagt, dass ein Alliierter eine Konsultation
beantragen kann, wenn er seine Sicherheit gefährdet sieht. Die letzten Opfer
eines Granatenanschlags in der türkischen Grenzstadt Akçakale sind der Auslöser
dieser Maßnahme. Bereits zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit hat sich
damit die Türkei auf Art. 4 berufen. Das erste Mal war nach dem Abschuss eines
türkischen Kampfjets am 24. Juni.
Und was kommt nach Art. 4? Artikel 5. Erst ein einziges Mal
seit der Gründung der NATO 1949 ist sich auf Art. 5 der Verfassung berufen
worden: am 11. September 2001. „Die Parteien vereinbaren, daß ein bewaffneter
Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein
Angriff gegen sie alle angesehen wird; sie vereinbaren daher, daß im Falle
eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51
der Satzung der Vereinten Nationen anerkannten Rechts der individuellen oder
kollektiven Selbstverteidigung der Partei oder den Parteien, die angegriffen
werden, Beistand leistet, indem jede von ihnen unverzüglich für sich und im
Zusammenwirken mit den anderen Parteien die Maßnahmen, einschließlich der
Anwendung von Waffengewalt, trifft, die sie für erforderlich erachtet, um die
Sicherheit des nordatlantischen Gebiets wiederherzustellen und zu erhalten“.
Doch noch ist es nicht so weit. Während international an
allen Enden versucht wird die Türkei wieder zu beruhigen und einer Eskalation
vorzubeugen, begeht die türkische Armee Vergeltungsanschläge in
syrischen Territorien. Wird hier versucht eine Reaktion zu triggern? Wird hier
versucht endlich Hilfe aus Europa zu betteln? Mittlerweile sind über 100.000
Flüchtlinge aufgenommen worden. Es droht ein neues Afghanistan an der Grenze der Türkei zu entstehen: politische Instabilität und nichtendende Flüchtlingsströme. Der worst case für ein Nachbarland. Um das finanziell zu stemmen, mussten hier
letzte Woche die Steuern erhöht werden. Aber die EU und NATO stehen ja auf der Seite der
Türkei. Zumindest mit Worten.
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