Per Anhalter zu fahren hat nicht nur Nachteile
(Restrisiko), sondern birgt auch einige Vorteile – und das nicht nur
finanzieller Art. In den letzten 10 Tagen habe ich so die verschiedensten
Menschen getroffen. Und es ist interessant, was für Leute für uns anhalten: Den
Vize-Sales Manager von TTnet (sowie wie Telekom in der Türkei), der Chef der
internationalen Standardisierungsbehörde (was auch immer das sein soll, aber
seinem Auto zufolge verdient er sehr gut!), jede Menge Farmer, Anhänger
Terroristischer Gruppen (PKK) und sogar ein Taxi hatte Mitleid mit unserer
Geldlosigkeit und hat uns umsonst 80km in die nächste Stadt gebracht. Hier wird
man umsorgt, hier wird man nicht alleine gelassen. So zum Beispiel auch diese
Geschichte.
400 km wollen wir heute zurücklegen. 300 km
haben wir schon geschafft, doch auf der Karte sah das alles einfacher aus. Die
Realität sind jedoch 3000 Meter hohe Berge, die vor uns in die Höhe ragen,
Wind, Schneefall und die einbrechende Nacht. „Hier fährt kein Bus mehr! Ihr
müsst bis morgen warten“, wird uns von Straßenhändlern mitgeteilt. „Wir
brauchen keinen Bus. Wir machen Autostop, denn wir haben kein Geld“ antworten
wir. „Autostop? Hier? Nein, nein, das geht hier nicht. Jetzt nicht mehr!“ –
„Warum?“ – „Die Straße ist zu. Es fährt kein Auto mehr! Schnee, überall Schnee!
Zu gefährlich! Morgen vielleicht wieder.“ Aber wir haben kein Geld und wollen
uns auch kein Hostelzimmer für 12 Euro pro Person leisten. Die letzte Nacht
haben wir in Georgien in biblischer Manier an fremde Haustüren geklopft und
nach Hilfe gefragt. „Leider können wir euch nicht aufnehmen, wir haben keinen
Platz. Aber ich bringe euch zu jemandem, der euch helfen kann.“ Wohlgemerkt: diese
Familie in Georgien war natürlich türkischer Herkunft. Die türkische
Gastfreundlichkeit ist wohl eines der größten Geschenke an die Menschheit.
Nun wollen wir es also auch hier, in diesem
kleinen verschneiten Bergdorf versuchen. Doch es mangelt leider an Erfolg.
„Dort vorne ist eine Pension. Dort könnt ihr hingehen.“ Das wissen wir bereits,
aber wir versuchen diesen Luxus zu vermeiden. Nach 1-stündiger Suche bleiben
noch 2 Optionen offen: Im Waschraum einer Moschee übernachten oder die Polizei
nach Hilfe fragen (wir haben ja bereits sehr gute Erfahrungen damit gemacht). Nachdem
aufgrund der Kälte der Waschraum wirklich die Not-Lösung sein sollte, versuchen
wir es zunächst bei der Polizei. Doch auch diese können uns nicht weiterhelfen.
„Ich verstehe euer Problem. Wirklich. Aber ich kann euch leider nicht erlauben
hier im Hof oder in der Stadt zu campen – und außerhalb ist es zu gefährlich,
weil es hier viele wilde Hunde gibt. Ihr müsst wohl in die Pension gehen.“
Niedergeschlagen von der Alternativlosigkeit stapfen wir zurück ins
Stadtzentrum, wo ein Autofahrer für uns anhält und uns ausfragt: „Was macht ihr
hier? Wohin wollt ihr?“. Als wir ihm unsere Geschichte erzählen, nimmt er uns
kurzerhand ein Stück in seinem Auto mit. „Kommt, ich werde euch ein Zimmer
besorgen. Ich bin vom örtlichen Wachdienst. Ich kann da vielleicht was regeln.
Wenn die mich sehen, wird das schon klappen.“ Und tatsächlich. Bruder Ümit kann
uns ein Zimmer vermitteln. Das 3 Sterne Hotel ist weit über unserem Bedarf und
wir sind mal wieder von der Freundlichkeit der Menschen überwältigt. „Hier ist
meine Nummer. Ruft mich auf, wenn ihr aufgestanden seid, dann gehen wir
zusammen frühstücken und danach werde ich dafür sorgen, dass ihr sicher in der
nächsten Stadt ankommt.“
Die Dankbarkeit, die wir ihm schulden ist
unermesslich hoch. Nie werde ich sein Verhalten vergessen. Es wird mir Ansporn
sein, dasselbe auch in Deutschland zu verwirklichen.
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