„Oh Fuck…“, flüstert mein Reisegefährte Mohammed vor sich
hin. Sein Gesicht wird weiß angestrahlt, sein Ausdruck blickt erstarrt in das
Scheinwerferlicht zweier Lastwagen, die auf uns zu rasen. Wir stehen inmitten
der Autobahn. Der Anhalter, der für uns gehalten hat, steht auf der rechten
Spur und wir laden unsere Taschen ein, als ein Bus einen LKW Fahrer rechts
überholen will und wieder nach links rüberzieht, kurz bevor er auf uns
getroffen wäre. Wir haben uns diese Stelle nicht ausgesucht, nein, unglückliche
Umstände haben uns zum Ausstieg aus einem LKW gebracht. Dieser hat 30km zuvor
für uns angehalten, den Innenraum dunkelrot beleuchtet und die Heizung auf „unerträglich
heiß“ eingestellt. „Wie heißt du denn, mein Mädchen“, fragt er Theresa mit
einem widerwärtigen Lächeln. „Sie ist meine Frau“, fahre ich dazwischen. „Aha,
verheiratet“. Schon nach diesen ersten Wortwechseln empfand ich die Situation
mehr als unangenehm und aufgrund einiger schlechter Erfahrungen mit Truckern zu
Abendzeiten, bin ich sehr vorsichtig geworden. Mohammed sitzt direkt neben ihm,
ich in der Mitte und Theresa an der Außentür.
Die Situation war schwer zu deuten. War die Aufforderung des
Truckers, dass Mohammed seine Schuhe ausziehen soll zur Vorsicht des Teppichs
im Auto, oder, dass er nach hinten rutschen und damit Theresa näher kommen
soll? Der zwielichtige Fahrer telefonierte in der Zwischenzeit mit einem Freund
und ging davon aus, dass wir nichts verstehen, doch ich verstand genug, um noch
vorsichtiger zu werden. Meine Vorsichtsmaßnahmen gingen dahingehend, dass ich zu
meinem Handy griff und eine gute Freundin in Istanbul anrief, um ihm zu
signalisieren, dass Leute wissen, wo ich bin. Das gefiel ihm sichtlich
überhaupt nicht. „Da kommt ein Tunnel. Mach dein Handy aus, mach dein Handy
aus!“ befahl er mir regelrecht. Ich wollte nicht hören und sagte zu meiner Telefonpartnerin
lediglich, dass die Leitung zusammenbrechen könnte. Doch nichts geschah, sie
blieb dran und er wurde ungeduldiger. Als er zu Mohammed schließlich sagte,
dass wir beide nach hinten sitzen sollen und sich im selben Moment in den
Schritt griff, war es endgültig so weit, dass unsere Toleranzgrenze
überschritten wurde. „Hier wollen wir anhalten, unser Freund wartet dort.“
„Hier? Da kommt gleich ein Tunnel. Ich fahre weiter.“ Brenzlige Sekunden in
denen die höchste (An-)Spannung in der Luft lag. Sekunden des Bangens. Wird er
halten? Wird er uns frei lassen? Wie wird er reagieren? Ist er bewaffnet? Wie
weit würde er gehen? „Hier jetzt bitte. Unser Freund wartet!“ spricht Mohammed
jetzt mit entschlossener und bestimmender Stimme. Der Trucker reduziert sein
Tempo langsam, ich atme auf und ebenso meine Gesprächspartnerin im fernen
Istanbul. Inmitten der Nacht, inmitten der Autobahn, wo die Sterne das einzige
Licht bilden, steigen wir aus. „Auf Wiedersehen. Und gute Reise!“ wünscht er
uns und schüttelt uns seine ekligen Hände mit einem schelmischen Grinsen. Doch
das einzige was ich hoffe, ist, dass wir uns nie wieder sehen!
Wir sind durch unsere Vorsicht nochmals mit dem Schrecken davon gekommen. Aber wir lernen daraus und werden uns vor gefährlichen Situationen in Acht nehmen. Zwar wird ein Restrisikojedoch immer bestehen bleiben, doch wir versuchen dieses so gering wie möglich zu halten.
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