Donnerstag, 7. Februar 2013

Polizei - Dein Freund und Helfer

Einige Tage  beginnen verrückt und enden noch viel verrückter. Seit zwei Tagen bin ich jetzt mit Mohammed und Theresa unterwegs. Ich traf sie  in Trabzon bei einer Couchsurferin. Sie sind Erasmusstudenten wie ich und studieren in  Izmir. Interessanterweise haben sie fast dieselbe Route wie ich hinter sich und weil sich auch unsere zukünftigen Reisepläne überschneiden, haben wir beschlossen zusammen zu reisen. Was uns unterscheidet ist jedoch die Art und Weise zu reisen. Während ich aus Bequemlichkeit es des Öfteren bevorzugt habe mit dem Bus zu reisen, ziehen die beiden es tatsächlich durch ausschließlich per Anhalter voranzukommen. „Wir haben in den letzten 10 Tagen vielleicht jeder insgesamt 20 € gebraucht. Wir werden überall eingeladen und sie lassen uns bei sich übernachten. Außerdem haben wir ja unser Zelt dabei, falls mal gar nichts klappt.“ Für 5° Außentemperatur eine ganz schön unbequeme Option wie ich finde. Ich merke schnell, dass wir grundverschiedene Wege gehen als sie beschließen  die 3 km zu einer Sehenswürdigkeit zu laufen, anstatt einen Minibus für 1€ zu nehmen und sich so 1 Stunde Fußweg sparen. Während sie einfach nur mit allen Mitteln Geld sparen wollen, will ich einfach nur mit allen Mitteln Zeit sparen. Für mich ist das das wichtigste Gut, denn das Land ist riesig (doppelt so groß wie Deutschland), es gibt viel zu sehen, doch die Sonne geht auch hier schon um 5 Uhr unter. Die wenige Zeit an Tageslicht will und muss also effektiv genutzt werden.
 
Eines der ältesten christl. Felskloster der Welt (4. Jh.)
Wir stehen also nach 6 Stunden Schlaf auf, um 70 km in den Süden zu fahren und anschließend nochmals 130km in die andere Richtung zurückzulegen. Dort ist ein Kloster aus dem 8. Jahrhundert in den Berg gebaut, was wir heute besichtigen wollen. Aber dieses Mal mache will ich mit ihnen gleichziehen und wir reisen zusammen per Anhalter diese Strecke über verschiedene Städte und Dörfer. Interessanterweise funktioniert dies zu dritt viel besser als alleine. Als Reise“gruppe“ wird man hier schnell als bedürftig erkannt. Zum Beispiel hielt ein Auto an einer wenig befahrenen Straße für uns an,  das selbst bereits mit 4 Menschen gefüllt war. Aber kein Problem. Wo 4 Menschen rein passen, da passen auch irgendwie 7 Menschen rein. Irgendwie. Wie selbstverständlich nimmt die Oma die Tante auf den Schoß, der Cousin den anderen Cousin, einer sitzt auf dem Schaltknüppel – und los geht’s! 
Als es dann gegen Abend ging und wir wieder auf einer fast leeren Straße einen Bus zum nächsten Dorf nehmen mussten, treffen wir Zeki.  „Ich bin Polizist. Willst du mit mir nachher einen Tee zusammen trinken?“. Habe ich denn eine Wahl? „Ach komm, wir gehen jetzt mal zu meiner Wache. Ich zeige dir wo ich arbeitet!“, wirft er seinen eigenen Plan über den Haufen, packt mich auf freundliche Art am Arm und wir stolzieren mit etwas mulmigen Gefühl davon. Tatsächlich landen wir auf der örtlichen Polizeiwache. „Hey Erkan! Ich hab Freunde mitgebracht!“. Und so sitzen wir also in der Polizeiwache, erzählen unsere Geschichten (wo wir her kommen und was wir hier machen) und trinken dutzende Tee mit unseren neuen Freunden. „Ihr seid die ersten Touristen, die ich hier auf der Wache kennenlerne! Seid willkommen!“. Und tatsächlich werden wir als echte Attraktion behandelt. „Du kommst aus Deutschland? Ah, ich habe einen Onkel dort. Warte, ich rufe ihn an!“, und so muss ich mit Leuten in Deutschland telefonieren, während die anderen 2 aufgefordert werden mit der englischsprechenden Tochter des Generals zu skypen. „Hey Betül, schau mal wen ich hier habe! Sprich mal mit denen! Ist das nicht toll? Die sind hier gerade im Dorf!“. Irgendwie alles bizarr, aber witzig.
Polizeichef beim Skypen mit seiner Tochter
 „Und wo schlaft ihr heute?“, stellt er schließlich die Frage, auf die Mohammed insgeheim gehofft hat, denn sein Plan war es hier in diesem Dorf jemanden zu finden, der uns bei sich übernachten lässt. Diese Spekulation auf die Gastfreundlichkeit ist zwar nicht unbedingt meine Art, aber ich will mal schauen wohin das führt. „Wir haben keinen Schlafplatz. Wir sind Studenten und haben kein Geld. Wir haben aber unser Zelt dabei. Wir werden also draußen schlafen.“ – „Draußen? Viel zu kalt! Nein, nein, das macht ihr nicht.“  Aha, das machen wir also nicht? „Jetzt gebt uns erst einmal eure Ausweise. Reine Routinekontrolle. Kein Problem.“ In Deutschland würde man an dieser Stelle laut aufschreien: ‚Reine Routinekontrolle? Das ist ja wohl ein Problem, denn ich stehe hier anscheinend unter Generalverdacht. Kein Problem – keine Kontrolle! Was soll also dieses doppelte Spiel?‘. Aber wir spielen mit. Was können wir auch anderes machen.  Und wir werden dafür belohnt: Eine Stunde später, nachdem sie gemerkt haben, dass wir „sauber“ sind, fahren wir in eine Herberge, in dem die Polizisten mit einigem Zureden aushandeln konnten, dass wir umsonst dort schlafen können. Die Polizei in diesem Dorf wird tatsächlich zu unserem Freund & Helfer. „Ihr seid ihr immer herzlich Willkommen! Wir bleiben in Kontakt auf Facebook ok?“ rufen sie mir zu während sie in den Streifenwagen steigen und daraufhin in die Nacht düsen. Wir bleiben für einen Moment stehen, winken ihnen nach und können immer noch nicht fassen, was heute alles passiert ist.
Ein verrückter Tag – und ich denke nicht nur für uns.

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