Was würde die Welt eigentlich aussehen, wenn es kein Internet gäbe? Und kein Alkohol? Und keine Partys? Keine Bars und keine Clubs? Was würden die jungen Menschen dann machen?
Genauso wie Iran vom internationalen Banksystem abgeschnitten ist, ist es auch kulturell so ziemlich isoliert. Die „islamische Republik“ ist die einzige Republik der Welt, die von Schiiten geleitet wird und die einzige der Welt, die nach den Formen und Regeln der Shia lebt.
Mein Freund und Gastgeber V. führt mich in einen Park am Rande der Stadt. „Das ist ein besonderer Ort. Hier kommen wir immer hin.“ Was er damit meinte, wird mir schnell klar. Tausende, wirklich tausende von Menschen befinden sich hier. Parks besitzen ja auch in Deutschland eine hohe Beliebtheit – aber so etwas habe ich noch nicht gesehen. Es scheint als sei die ganze Stadt hier versammelt. Ich bin überrascht über die Sportlichkeit, die hier praktiziert wird. In einer Fläche von wenigen Quadratmetern befinden sich hunderte Jungs und Mädchen, die gemeinsam Volleyball spielen. Bei deren Reaktionsschnelle und Technik reise ich die Augen auf: „Wow, bei uns würden solche Leute fast schon professionell spielen. Selbst die Mädels spielen besser als jeden, den ich in Deutschland kenne!“.
Wir laufen weiter und wühlen uns durch die Menschenmenge, die unaufhörlich um den in der Mitte gelegenen See läuft. Jugendliche mit Inlineskates überholen uns auf atemberaubende Art und fahren gekonnt rückwärts weiter und anschließend ein paar Tricksprünge zu machen, während neben meinem Kopf ein Federball meinen Kopf knapp verfehlt. Alles und jeder scheint hier Sport zu machen. „Mir fällt gerade auf, dass die Menschen hier gar nicht rauchen? Ist das nicht so beliebt wie in der Türkei?“ – „Rauchen? Naja, das ist schon beliebt – aber die Türken übertreiben es dabei ein bisschen. Hier raucht man eigentlich eher selten. Wir machen aber sehr viel Sport in unserer Freizeit wie du siehst.“ Ja, das sehe ich!
Anstatt nachtmittags oder abends in Bars und Diskotheken zu gehen, ist es hier üblich sich einfach mit seiner Familie oder mit seinen Freunden zu treffen und irgendetwas zu unternehmen (Sport, Picknick). Worte meiner Mutter ertönen aus meinem Hinterkopf, die ich so oft in meiner Jugendzeit hören musste: „Kind, geh doch mal raus. Geh draußen mit deinen Freunden spielen. Nicht immer nur am Computer! Das ist doch verrückt!“. Die iranische Gesellschaft scheint sich an die Mahnung meiner Mutter gehalten zu haben. Aber das ist auch an der unglaublich schlechten Internetverbindung und einem Nationalen Filtersystem geschuldet, die brisante/westliche Seite blocken (Facebook, Youtube, Blogspot, Chatrooms, etc.).
Menschenmassen im Park |
Volleyball, Volleyball, Volleyball |
Die Mädels laufen auf das Auto zu – und schreiten daran vorbei. „Sie wollten nicht. Schade“ sagt Vahid und mir fällt ein Stein vom Herzen, dass ich da nicht mitreingezogen wurde. „Was passiert denn dann, wenn sie einsteigen? Klappt das denn normalerweise?“ – „Jaja, klar klappt das! Wie willst du denn sonst Mädchen kennenlernen? Das ist der einzige Weg in einer Gesellschaft, wo Männer und Frauen selbst im Bus getrennte Abteile haben.“ Achja, stimmt. Da war ja was… Dieses Phänomen hätte ich fast vergessen. „Und wenn die dann einsteigen“, erklärt Vahid weiter, „dann lädt man sie zum Essen ein, oder macht irgendwas tolles. Das Treffen ist beendet, wenn sie sagt, dass sie jetzt Heim möchte. Dann muss man sie Heim bringen. So sind die (ungeschriebenen) Regeln hier. Und wenn du Glück hast und sie dich mag, dann bekommst du ihre Nummer.“ Ach so funktioniert das! Vielleicht etwas umständlich und aus er europäischen Perspektive nicht ganz nachvollziehbar, aber im System des islamischen Gesetzes mit strikter Geschlechtertrennung, scheint dies tatsächlich eine passable Lösung zu sein, um das andere Geschlecht kennenzulernen. Doch dafür braucht man zunächst einmal ein schickes Auto. Und das ist durch die ganzen Sanktionen nicht gerade billig
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