Mittwoch, 20. Februar 2013

"Wir sind ja auch Arier"


Es fühlt sich so an als wären wir die einzigen Touristen in der ganzen Stadt. Abgesehen von manchen Museen gibt es keine einzige nicht-iranische Person auf der Straße. Die Reaktionen auf uns sind jedoch grundverschieden. Es gibt einige Städte, in denen die Menschen uns überhaupt nicht beachten und wir sozusagen ungesehen durch die Stadt laufen können. Nicht einmal auf den Bazaren werden wir angequatscht wie wir es aus der Türkei gewohnt sind. Ein möglicher Grund mag das fehlende Sprachniveau auf Englisch sein, das die Menschen regelrecht verstummen lässt. Auf der anderen Seite gibt es Orte, wo die Menschen ihre Blicke nicht von uns lassen können und wir beim Essen im Restaurant regelgerecht angestarrt werden. Als wir eine Moschee besichtigen,  unterbricht einer der Maurer sogar seine Arbeit, setzt sich auf sein Arbeitsgerüst und beobachtet uns wie wir orientierungslos durch die Gebäudehallen irren und nach dem Ausgang suchen. „Hello Mister! Hello Mister! Bye, bye“ ruft er stolz über die Anwendung seiner Sprachkenntnisse von oben herab als wir endlich den Weg hinaus gefunden haben. Er und seine Kollegen hatten an uns sichtlich Spaß.
  
Die Attraktion

Kinder sind bei so etwas meist ein wenig unverblümter. Zwar scheint dieses „Hello Mister, hello Mister!“ sich durch alle Generationen hindurchzuziehen, doch Kinder können ihre Neugier meist nicht beherrschen, was dazu führt, dass um uns herum nur noch getuschelt wird. In einem Museum treffen wir sogar gleich auf eine ganze Schulklasse 13-jähriger Jungs, die uns mit großen Augen anschauen als hätten sie noch nie einen Fremden gesehen. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass das bei einigen tatsächlich der Fall war. Und so werden wir auf Schritt und Tritt verfolgt und nachgeäfft. Was da hilft? Sich aktiv dem Problem annehmen. Mein Reisepartner Jan macht’s mir vor: „Na, na wie heißt du?“. Meist trifft so ein Vorstoß auf peinliches Schweigen beim Gegenüber, weil die Englischkenntnisse dann doch nicht ausreichen. „Emar, Emar, Emar!“. Die Kinder brechen in einer Art Panik aus. Wie ein Lauffeuer verbreiten sich die Rufe nach Emar, dem einzigen Jungen, der ein wenig Englisch sprechen kann – und das mit 13 Jahren überraschend gut kann (im Gegensatz zu seinem Lehrer/Betreuer, der kein Wort konnte). Schnell wird Emar zum Sprachrohr der neugierigen Schulbuben, die sich mittlerweile zu Dutzenden um uns versammelt haben „Woher kommt ihr? Was macht ihr hier? Gefällt es euch hier? Gibt es so eine Stadt auch in Deutschland? Welches Fußballteam unterstützt ihr? Wann geht ihr wieder zurück nach Deutschland? Ist es dort schön?“. Die Fragen kommen im Eiltempo bis der Lehrer die Meute endgültig zum Weitergehen zwingt. Nach hundertfachem Händeschütteln und gemeinsamen Bildern mit den großen Deutschen mit blonden Haaren, stehen wir wieder alleine im Museum und genießen die Ruhe um uns herum.

Die Iraner scheinen ein besonderes Interesse an Deutschen zu haben. Barak, den ich in einem Bus kennenlerne, erzählt mir: „Deutschland: Das ist so toll. Ich war zwar noch nicht da, aber ich liebe eure Sprache. Sie ist so schön… hart! Aber es ist nicht nur eure Sprache, sondern auch eure Art und Weise. Ich weiß auch nicht. Ich glaube es liegt daran, dass ihr Arier seid wie wir ja auch. Das macht uns gleich“ Aha. Ich muss aufpassen, dass ich vor lauter Verwunderung meine Augen nicht zu weit aufreiße, wenn sich  Iraner chauvinistischen Rassenideologien mit Nazis auf eine Stufe stellen und darauf auch noch stolz zu sein scheinen. Die Deutschland-Hitler Assoziationen sind hier, wo man nur das nötigste über europäische Geschichte weiß, besonders groß.
Große Augen mache ich auch als ich bei unserem Gastgeber in der Hauptstadt iranisches Kinderfernsehen schaue und ein Mann mit Hitlerbart sehe. „Was ist das denn? Ist das…?“ rufe ich und bemerke nicht wie mein Mund immer noch offen vor Entsetzen ist. „Was? Der Hitleri? Das ist so ein Mode-Ding. Das haben einige hier, ja. Ist so ne Hommage an Hitler und seiner Rassenideologie sozusagen“ erklärt mir Azad in seiner lässigen Manier, die mein Entsetzen nicht gerade geringer werden lässt. „Ein Hitleri? Was zur Hölle?! Im Kinderfernsehen?“. Für manche Dinge gibt es keine Worte. Und so schaue ich weiter in die Flimmerröhre und beobachte, wie der Hitleri zusammen mit einer Frau in Burka für die Kinder ein Gute-Nacht-Lied singt. Gute Nacht Iran, gute Nacht. 

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