Es fühlt sich so an als wären wir die einzigen Touristen in
der ganzen Stadt. Abgesehen von manchen Museen gibt es keine einzige
nicht-iranische Person auf der Straße. Die Reaktionen auf uns sind jedoch
grundverschieden. Es gibt einige Städte, in denen die Menschen uns überhaupt nicht
beachten und wir sozusagen ungesehen durch die Stadt laufen können. Nicht
einmal auf den Bazaren werden wir angequatscht wie wir es aus der Türkei
gewohnt sind. Ein möglicher Grund mag das fehlende Sprachniveau auf Englisch
sein, das die Menschen regelrecht verstummen lässt. Auf der anderen Seite gibt
es Orte, wo die Menschen ihre Blicke nicht von uns lassen können und wir beim
Essen im Restaurant regelgerecht angestarrt werden. Als wir eine Moschee
besichtigen, unterbricht einer der
Maurer sogar seine Arbeit, setzt sich auf sein Arbeitsgerüst und beobachtet uns
wie wir orientierungslos durch die Gebäudehallen irren und nach dem Ausgang
suchen. „Hello Mister! Hello Mister! Bye, bye“ ruft er stolz über die Anwendung
seiner Sprachkenntnisse von oben herab als wir endlich den Weg hinaus gefunden
haben. Er und seine Kollegen hatten an uns sichtlich Spaß.
Die Attraktion |
Kinder sind bei so etwas meist ein wenig unverblümter. Zwar
scheint dieses „Hello Mister, hello Mister!“ sich durch alle Generationen
hindurchzuziehen, doch Kinder können ihre Neugier meist nicht beherrschen, was
dazu führt, dass um uns herum nur noch getuschelt wird. In einem Museum treffen
wir sogar gleich auf eine ganze Schulklasse 13-jähriger Jungs, die uns mit
großen Augen anschauen als hätten sie noch nie einen Fremden gesehen. Ich
könnte mir sogar vorstellen, dass das bei einigen tatsächlich der Fall war. Und
so werden wir auf Schritt und Tritt verfolgt und nachgeäfft. Was da hilft? Sich
aktiv dem Problem annehmen. Mein Reisepartner Jan macht’s mir vor: „Na, na wie
heißt du?“. Meist trifft so ein Vorstoß auf peinliches Schweigen beim
Gegenüber, weil die Englischkenntnisse dann doch nicht ausreichen. „Emar, Emar,
Emar!“. Die Kinder brechen in einer Art Panik aus. Wie ein Lauffeuer verbreiten
sich die Rufe nach Emar, dem einzigen Jungen, der ein wenig Englisch sprechen
kann – und das mit 13 Jahren überraschend gut kann (im Gegensatz zu seinem
Lehrer/Betreuer, der kein Wort konnte). Schnell wird Emar zum Sprachrohr der
neugierigen Schulbuben, die sich mittlerweile zu Dutzenden um uns versammelt
haben „Woher kommt ihr? Was macht ihr hier? Gefällt es euch hier? Gibt es so
eine Stadt auch in Deutschland? Welches Fußballteam unterstützt ihr? Wann geht
ihr wieder zurück nach Deutschland? Ist es dort schön?“. Die Fragen kommen im
Eiltempo bis der Lehrer die Meute endgültig zum Weitergehen zwingt. Nach
hundertfachem Händeschütteln und gemeinsamen Bildern mit den großen Deutschen
mit blonden Haaren, stehen wir wieder alleine im Museum und genießen die Ruhe
um uns herum.
Die Iraner scheinen ein besonderes Interesse an Deutschen zu
haben. Barak, den ich in einem Bus kennenlerne, erzählt mir: „Deutschland: Das
ist so toll. Ich war zwar noch nicht da, aber ich liebe eure Sprache. Sie ist
so schön… hart! Aber es ist nicht nur eure Sprache, sondern auch eure Art und
Weise. Ich weiß auch nicht. Ich glaube es liegt daran, dass ihr Arier seid wie
wir ja auch. Das macht uns gleich“ Aha. Ich muss aufpassen, dass ich vor lauter
Verwunderung meine Augen nicht zu weit aufreiße, wenn sich Iraner chauvinistischen Rassenideologien mit
Nazis auf eine Stufe stellen und darauf auch noch stolz zu sein scheinen. Die
Deutschland-Hitler Assoziationen sind hier, wo man nur das nötigste über
europäische Geschichte weiß, besonders groß.
Große Augen mache ich auch als ich bei unserem Gastgeber in
der Hauptstadt iranisches Kinderfernsehen schaue und ein Mann mit Hitlerbart
sehe. „Was ist das denn? Ist das…?“ rufe ich und bemerke nicht wie mein Mund
immer noch offen vor Entsetzen ist. „Was? Der Hitleri? Das ist so ein
Mode-Ding. Das haben einige hier, ja. Ist so ne Hommage an Hitler und seiner Rassenideologie
sozusagen“ erklärt mir Azad in seiner lässigen Manier, die mein Entsetzen nicht
gerade geringer werden lässt. „Ein Hitleri? Was zur Hölle?! Im
Kinderfernsehen?“. Für manche Dinge gibt es keine Worte. Und so schaue ich
weiter in die Flimmerröhre und beobachte, wie der Hitleri zusammen mit einer
Frau in Burka für die Kinder ein Gute-Nacht-Lied singt. Gute Nacht Iran, gute
Nacht.
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