Freitag, 15. Februar 2013

Iran und der arme Tourist

Ich fühle mich zurück versetzt in meine ersten Tagen in der Türkei. Wie habe ich nur den Kopf geschüttelt über all die Widrigkeiten und Absurditäten der Kultur. Alles was mir damals so unfassbar und fremd erschien, geht mir mittlerweile ins Blut über. Ich werde in Deutschland vermutlich nicht mehr verstehen, warum Autos auf ihrer Spur bleiben sollen, warum man die Hupe nicht als Signal in sämtlichen Situationen benutzt und warum es nicht an jeder Ecke Essen für 2€ gibt.
Tabris, Iran
Und jetzt komme ich wieder in ein Land, dessen Andersartigkeit mich wirklich mehr als verwirrt. Iran ist international isoliert und in der westlichen Medienlandschaft als „Achse des Bösen“ gebrandmarkt. Ob das gerechtfertigt ist, sei mal dahingestellt. Ich für meinen Teil will jeden Falls mit einem offenen Visier dem Land begegnen, das aufgrund seiner langen, kulturellen Geschichte als Wiege der Menschheit bezeichnet werden kann. Es gibt also viel zu entdecken.
Das erste das ich entdecke, sind die Unterschiede zur Türkei. So kann ich zum Beispiel von der Grenze bis nächsten Stadt Tabriz 400 km mit dem Taxi(!!!) fahren. Für gerade einmal 20€. Nach 4 Stunden Fahrt tankt mein Fahrer seine erdgasbetriebene Kutsche für gerade einmal 2€ wieder voll. Auch die Benzinpreise machen europäische Augen neidisch: 1 Liter Benzin kostet hier gerade einmal 0,20€. Anlass und Erklärung genug, dass die gesamte Bevölkerung auf der Straße Zuhause ist. Das merke ich besonders als mein Gastgeber Vahid mich 8 Stunden lang durch die 3-Millionen-Einwohner-Stadt fährt, um mich bei sämtlichen Formalien zu helfen. Denn auch hier stoße ich ähnlich wie in Georgien an die Grenzen meiner Fähigkeiten, wenn es darum geht Arabisch zu lesen, Azeri oder Persisch zu verstehen.
„Wo ist hier eigentlich die nächste Bank? Ich habe fast kein Bargeld mehr.“ „Dort vorne, gleich um die Ecke. Aber du weißt ja sicherlich, dass das hier nicht geht, nicht wahr?“ – „Was meinst du damit?“, frage ich nervös. „Ja Iran ist durch die vielen Sanktionen vom internationalen Banksystem abgekoppelt. Das heißt hier funktioniert keine Master- und keine Visa-Card. Nur iranische Bankaccounts funktionieren. Hast du denn kein Geld mitgebracht?“. Und da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ich sehe die Buchstaben auf dem flackernden Bildschirm klar vor meinem inneren Auge: „Don’t forget to change money before you enter Iran! You won’t have the chance to get money there!“. Wie versteinert stehe ich da und weiß nicht wie mir geschieht. Habe ich etwa tatsächlich das wichtigste an der ganzen Reise vergessen? Bin ich tatsächlich mit umgerechnet 15€ hier gerade eingereist und hoffe damit über 10 Tage zu überleben? Wie konnte ich das nur vergessen!?! „Gratulation! Sie haben soeben den Preis für den bescheuertsten Touristen im Iran gewonnen!“ kommentiert eine Stimme in meinem Kopf. Doch das hilft jetzt alles nichts – ich muss einen Weg finden, und der Schlüssel für diesen Weg finde ich bei Vahid.
„Mach dir keine Sorgen. Das kriegen wir alles hin.“ Nach 6 Versuchen bei verschiedenen Banken, 3 Stunden im Stadtverkehr, geschätzten 100 gefahrenen Kilometer und über 20 Anrufe an verschiedene Freunde, finden wir eine Lösung, die darin liegt, dass mir ein Freund von ihm Geld leihen kann und ich dieses auf sein türkischen Konto überweisen kann (iranische Banken gehen ja wie gesagt nicht). Nun denn, ich habe es letztlich geschafft und bin dank der unbeschreiblichen Geduld und vor allem der Hilfsbereitschaft kein mittelloser Mann mehr und muss meine Reise nicht schon nach Tag 1 als Bettler abbrechen.  Es geht voran. Und so steige ich vom Bettler in den VIP Bus ins 6-Stunden-entfernte Teheran ein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen