Ich fühle mich zurück versetzt in meine ersten
Tagen in der Türkei. Wie habe ich nur den Kopf geschüttelt über all die
Widrigkeiten und Absurditäten der Kultur. Alles was mir damals so unfassbar und
fremd erschien, geht mir mittlerweile ins Blut über. Ich werde in Deutschland
vermutlich nicht mehr verstehen, warum Autos auf ihrer Spur bleiben sollen,
warum man die Hupe nicht als Signal in sämtlichen Situationen benutzt und warum
es nicht an jeder Ecke Essen für 2€ gibt.
Tabris, Iran |
Und jetzt komme ich wieder in ein Land, dessen
Andersartigkeit mich wirklich mehr als verwirrt. Iran ist international
isoliert und in der westlichen Medienlandschaft als „Achse des Bösen“
gebrandmarkt. Ob das gerechtfertigt ist, sei mal dahingestellt. Ich für meinen
Teil will jeden Falls mit einem offenen Visier dem Land begegnen, das aufgrund
seiner langen, kulturellen Geschichte als Wiege der Menschheit bezeichnet
werden kann. Es gibt also viel zu entdecken.
Das erste das ich entdecke, sind die
Unterschiede zur Türkei. So kann ich zum Beispiel von der Grenze bis nächsten
Stadt Tabriz 400 km mit dem Taxi(!!!) fahren. Für gerade einmal 20€. Nach 4
Stunden Fahrt tankt mein Fahrer seine erdgasbetriebene Kutsche für gerade
einmal 2€ wieder voll. Auch die Benzinpreise machen europäische Augen neidisch:
1 Liter Benzin kostet hier gerade einmal 0,20€. Anlass und Erklärung genug,
dass die gesamte Bevölkerung auf der Straße Zuhause ist. Das merke ich
besonders als mein Gastgeber Vahid mich 8 Stunden lang durch die
3-Millionen-Einwohner-Stadt fährt, um mich bei sämtlichen Formalien zu helfen.
Denn auch hier stoße ich ähnlich wie in Georgien an die Grenzen meiner
Fähigkeiten, wenn es darum geht Arabisch zu lesen, Azeri oder Persisch zu
verstehen.
„Wo ist hier eigentlich die nächste Bank? Ich
habe fast kein Bargeld mehr.“ „Dort vorne, gleich um die Ecke. Aber du weißt ja
sicherlich, dass das hier nicht geht, nicht wahr?“ – „Was meinst du damit?“,
frage ich nervös. „Ja Iran ist durch die vielen Sanktionen vom internationalen
Banksystem abgekoppelt. Das heißt hier funktioniert keine Master- und keine
Visa-Card. Nur iranische Bankaccounts funktionieren. Hast du denn kein Geld
mitgebracht?“. Und da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Ich sehe die
Buchstaben auf dem flackernden Bildschirm klar vor meinem inneren Auge: „Don’t
forget to change money before you enter Iran! You won’t have the chance to get
money there!“. Wie versteinert stehe ich da und weiß nicht wie mir geschieht. Habe
ich etwa tatsächlich das wichtigste an der ganzen Reise vergessen? Bin ich
tatsächlich mit umgerechnet 15€ hier gerade eingereist und hoffe damit über 10
Tage zu überleben? Wie konnte ich das nur vergessen!?! „Gratulation! Sie haben
soeben den Preis für den bescheuertsten Touristen im Iran gewonnen!“
kommentiert eine Stimme in meinem Kopf. Doch das hilft jetzt alles nichts – ich
muss einen Weg finden, und der Schlüssel für diesen Weg finde ich bei Vahid.
„Mach dir keine Sorgen. Das kriegen wir alles
hin.“ Nach 6 Versuchen bei verschiedenen Banken, 3 Stunden im Stadtverkehr,
geschätzten 100 gefahrenen Kilometer und über 20 Anrufe an verschiedene
Freunde, finden wir eine Lösung, die darin liegt, dass mir ein Freund von ihm
Geld leihen kann und ich dieses auf sein türkischen Konto überweisen kann
(iranische Banken gehen ja wie gesagt nicht). Nun denn, ich habe es letztlich
geschafft und bin dank der unbeschreiblichen Geduld und vor allem der
Hilfsbereitschaft kein mittelloser Mann mehr und muss meine Reise nicht schon
nach Tag 1 als Bettler abbrechen. Es
geht voran. Und so steige ich vom Bettler in den VIP Bus ins 6-Stunden-entfernte
Teheran ein.
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