Mittwoch, 27. Februar 2013

Religion und Reaktion

Als "Islamische Republik Iran" gegründet, nimmt die Religion einen besonderen Stellenwert im Iran ein. Doch anders als seine vielen Nachbarländer ist der Iran nicht sunnitisch sondern schiitisch geprägt. Das geht auf das 6. Jahrhundert zurück als nach dem Tod Mohammeds über die Nachfolger des des Religionsstifters gestritten wurde. Während die Sunniten in den Kalifen die rechtmäßigen Nachfolger des Propheten sehen, betonen die Schiiten, dass Mohammeds Cousin (der einzige überlebende Nachfahre) der alleinige rechtmäßige Vertreter des Islams ist.
Zwischen Ganzkörerverhüllung...
Dementsprechend gibt es im Islam innerreligiös große Unterschiede. Doch wer vermutet, dass in einer "Islamischen Republik" alle religiös sind, der hat sich weit getäuscht. Wo Religion verordnet wird, dort nimmt ihre Kraft ab, das ist auch hier erkennbar.
Die Verschleierung der Frau ist zur ersten Waffe gegen das Regime geworden. Die verordnete Tracht in Schwarz findet man nur noch bei der Hälfte der jungen Menschen. Viele nutzen das Kopftuchgebot, um dieses modisch einzusetzen, sodass der Kopf und der Pony sichtbar bleiben.

... und modischem Kopftuch.

„Wann ist hier eigentlich der Gebetsruf? Haben wir den irgendwie die ganze Zeit verpasst? Wir haben ihn noch kein einziges Mal gehört!“, fragen wir unsere Gastgeber in Shiraz 4 Tage nach unserer Ankunft im Iran. „Naja, also erst einmal ist er nur 3 mal Tag, nicht wie in der sunnitischen Türkei 5 Mal, und zweitens gibt es auch nicht sooo viele Moscheen hier wie euch vielleicht aufgefallen ist. Wenn man nicht gerade in der Nähe einer Moschee, dann bekommt man davon auch nichts mit.“
Mit dem Chaddow aufpassen!
Die Andersartigkeit des Irans lernen wir kennen als wir in Teheran die größte und wichtigste Moschee besichtigen, in der wir statt dutzende betende nur dutzende schlafende Menschen wiederfinden. In der Türkei wäre das unvorstellbar. Doch ich müsste Lügen, wenn ich behaupten würde, dass es im Iran keine tiefgläubigen Menschen gibt. Ganz im Gegenteil: Die Regierungsapparat ist voll mit ihnen. „Als ich das letzte Mal bei der Polizei war, um meine Dokumente zu aktualisieren, da haben sie mich erst einmal heimgeschickt. ‚Geh nach Hause und zieh dich um. Dann werde ich wieder mit dir reden‘ haben sie zu mir gesagt. Dabei hatte ich fast alles verhüllt. Aber die wollten, dass ich die Chador [Burka-ähnlich] trage“. – „Die Polizei bestimmt, was du anzuziehen hast?“ frage ich verdutzt. – „Na klar. Die Polizisten hier sind die schlimmsten. Religiosität ist gerade für sie besonders wichtig – und das meine ich nicht nur moralisch gesehen, sondern auch finanziell: Wenn Beamte nicht 3 Mal am Tag beten gehen und die religiösen Gebote beachten, dann bekommen sie Gehaltsabzug! Das ist kein Witz!“. Dennoch muss ich lachen. Vielleicht aus Ungläubigkeit.

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